Wie steht es um die Autoindustrie in Albanien?

Albanien, ein kleines Land mit großen Chancen in der Automobilherstellung

Die europäische Automobilindustrie lässt sich in zwei Bereiche unterteilen: (1) Kernregionen mit großen Märkten, in denen strategische, leitende und marketingbezogene Entscheidungen getroffen und komplexe Tätigkeiten auf der Grundlage hochqualifizierter Arbeitskräfte ausgeführt werden, und (2) periphere Regionen, die durch kleine Märkte gekennzeichnet sind, in denen Autoteile und einfache Komponenten für den Export produziert werden.

Tatsächlich verbindet die europäische periphere regionale automobile Wertschöpfungskette große internationale Fahrzeughersteller und bedeutende Tier-1-Zulieferer, insbesondere in Westeuropa, mit Teilelieferanten in Mittel- und Südosteuropa, dem Nahen Osten und Nordafrika. Folglich sorgt ein dichtes automobiles Handelsnetz für Nähe zu großen Märkten, niedrige Arbeitskosten, weit verbreitete industrielle Erfahrung und mehr.

Die europäische periphere regionale automobile Wertschöpfungskette spielt eine immer wichtigere Schlüsselrolle bei der industriellen Entwicklung auf dem Westbalkan, wobei Serbien, Nordmazedonien, Montenegro und Bosnien-Herzegowina bereits eine bedeutende Präsenz aufgebaut haben. Die Suche nach Kosteneffizienz trieb die Investitionen vor der Pandemie vom Zentrum des europäischen Fahrzeugmarktes weg, aber COVID-19 hat die Unternehmen dazu veranlasst, sich wieder auf nähere Lieferanten zu konzentrieren. Dies könnte sich zugunsten Albaniens auswirken.

Chancen für die Automobilindustrie in Albanien

Der langfristige Trend der Fahrzeugelektrifizierung bietet Albanien die Möglichkeit, seine strategische Position in der europäischen peripheren regionalen automobilen Wertschöpfungskette zu verbessern. Mit dem Wachstum des Elektrofahrzeug-Teilsektors, einschließlich der zunehmenden Elektrifizierung von traditionellen und Hybridfahrzeugen, könnte Albanien als großer Kupferproduzent zu einem Zentrum für die Herstellung von Kupferdrähten und Unterbaugruppen für Elektromotoren und Bordleistungselektronik werden.

Laut der Länderdiagnose des Privatsektors für Albanien (CPSD), einer von der Weltbank und der Internationalen Finanz-Corporation erstellten Bewertung von Investitionsmöglichkeiten im Privatsektor, befindet sich die Autoteileindustrie des Landes noch im Anfangsstadium, wobei die niedrigen Arbeitskosten den größten Anreiz darstellen. Die Fertigung in Albanien besteht größtenteils aus arbeitsintensiven Produkten, die angelernte Handwerker erfordern und Nischenkomponenten wie Abgasanlagen, Gummiteile und Kabelbäume umfassen. Um diesen Sektor auszubauen, müssen die Fähigkeiten der Arbeitskräfte, die Zulieferketten und die Anreizstrukturen in den Mittelpunkt gerückt werden.

Um seine Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und Zugang zu komplexeren Teilen der automobilen Wertschöpfungskette zu erhalten, benötigt Albanien eine technisch fähigere und produktivere Belegschaft, die mit einer Vielzahl von Managementfähigkeiten ausgestattet ist. Daher ist der Ausbau der technischen Ausbildungsinfrastruktur Albaniens von entscheidender Bedeutung. Die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des Sektors wird jedoch von Albaniens allgemeiner Kostenwettbewerbsfähigkeit und der Einfachheit der Geschäftstätigkeit abhängen. Die Bemühungen der Regierung, bilaterale Partnerschaften aufzubauen, Anreize zu schaffen und die Konnektivität zu stärken, werden entscheidend sein, um den Umfang und die Qualität ausländischer Investitionen und deren Fähigkeit zur Förderung des Wachstums bei lokalen Unternehmen zu bestimmen.

Zum Beispiel stellt die Delmon Group, ein französischer Automobilzulieferer für die Automobil-, Luft- und Raumfahrt- sowie Eisenbahnindustrie mit Fabriken in Frankreich, China und Spanien, fest, dass selbst wenn sie vor Ort hochwertige Materiallieferanten findet, der Gruppe oft die managementtechnische Komplexität fehlt, um Großaufträge effizient abzuwickeln.

Albanien hat auch die Möglichkeit, mit benachbarten Ländern zusammenzuarbeiten oder von ihnen zu lernen:

Türkei: Albaniens technologische und wirtschaftliche Entwicklungszonen ähneln der organisierten Industriezone Gebze in der Türkei, so dass die Untersuchung der architektonischen Gestaltung und Infrastruktur letzterer unter anderem Ideen liefern kann. Die türkischen Automobilzulieferer, die in der europäischen peripheren regionalen automobilen Wertschöpfungskette dominieren, könnten auch Abnehmer für Ersatzteile sein, die in Albanien wettbewerbsfähiger hergestellt werden.

Italien: Eine Kooperationsvereinbarung zwischen der Polytechnischen Universität Turin und der Polytechnischen Universität Tirana könnte den Wissensaustausch und technologische Spillover-Effekte erleichtern. Ebenso ist das von der Europäischen Union finanzierte Technologiezentrum in Ispra, Italien, in der fortgeschrittenen Automobilforschung hoch kompetent. Die Einrichtung von akademischen Austauschprogrammen könnte der Polytechnischen Universität Tirana helfen, einen industrieorientierten Lehrplan zu entwickeln.

Westbalkan: Albanien kann auch Lehren aus den Erfahrungen Serbiens mit Industriezonen und den Kooperationen zwischen Universitäten und Industrie in Nordmazedonien ziehen.

Fahrplan für die Zukunft der albanischen Automobilindustrie

Die CPSD unterstreicht, dass die Aktivierung der drei technologischen und wirtschaftlichen Entwicklungszonen Albaniens einen Cluster von Unternehmen schaffen könnte, die sich auf dieses hochpotente Segment konzentrieren. Darüber hinaus könnte die offizielle Aufnahme des Automobilsektors in das Gesetz über strategische Investitionen das Vertrauen der Investoren weiter stärken.

Albanien entwickelt auch einen strategischen Rahmen für die Konnektivität im Rahmen der Verordnungen des Transeuropäischen Verkehrsnetzes und des Vertrags über die Verkehrsgemeinschaft. Ziel ist es, die Transportkosten zu senken und die regionale Wirtschaftsintegration zu beschleunigen. Während Straßen- und Schieneninfrastrukturprojekte geplant werden, insbesondere entlang des Adria-Ionen-Korridors und des Paneuropäischen Korridors VIII, ist die Angleichung der Logistik- und Straßenverkehrssicherheitsstandards an die EU von entscheidender Bedeutung.

Am wichtigsten ist, dass die CPSD empfiehlt, die Position Albaniens innerhalb der europäischen peripheren regionalen automobilen Wertschöpfungskette der Autoteileindustrie zu definieren und einen Branchenverband für Automobilinvestoren zu gründen, um Verhandlungen mit der Regierung zu erleichtern und gleichzeitig eine effektive Branchenanalyse und -überwachung zu gewährleisten. Dies wird dazu beitragen, nachhaltige Arbeitsplätze zu schaffen und Lohnwachstum zu sichern.